Otti starrte auf das Ei unter ihrem Körper. Blau! Sie traute ihren Augen nicht. Ein rotes, grünes und gelbes Ei hatte sie an diesem Morgen schon vor dem ersten Schrei Hannos gelegt. Was sollten die anderen Hühner bloß sagen? Sie würden sie fortjagen oder Federn ausreißen, heftig mit dem Schnabel picken. Vielleicht war sie aber auch todkrank, infiziert von einem Virus? Tränchen liefen über ihren Schnabel herab. Es war ihr erster Frühling auf dem Hof. Die Zeit mit Hanno war aufregend und leidenschaftlich gewesen. Und nun würde sie dafür bezahlen, mit farbigen Eier, nicht normalen weißen oder braunen wie die der anderen Hühner. Sie würde nie mehr von diesem Nest heruntergehen, nie sollten die anderen sehen, dass sie anders war.
Doch der Hunger nagte schon bald in ihrem Magen. Das Gras draußen duftete bis in ihren Stall hinein. Schließlich hüpfte sie doch ins Freie und zupfte genüsslich an einigen Grashalmen und scharrte nach Körnern. Immer in einigem Abstand zu den anderen Hennen. Die Sonne wärmte ihre Federn.
Plötzlich hörte sie Rufe aus dem Hühnerstall.
„Schaut mal her, ihr Hennen, was Otti für Eier gelegt hat.“
Oh nein, sie war aufgeflogen, entlarvt, ihr Versagen, ihre Krankheit offensichtlich. Wie fruchtbar! Sie wollte gerade versuchen, über den Zaun zu fliegen und das Weite zu suchen, als Hanno sich ihr in den Weg stellte, Position einnahm und anfing lauthals zu krähen: „Hoch soll sie leben, hoch soll sie leben, Otti, das Osterhuhn!“ Die anderen Hühner gackerten fröhlich mit.
„Otti, du hast das Osterfest gerettet. Hennen, sagt den Hasen Bescheid, es gibt wieder bunte Ostereier.“
Otti, das Osterhuhn fühlte sich wunderbar. Irgendwie war es gar nicht so schlimm etwas anders zu sein als andere.